Oberster Rat für Deutschland

115. Freimaurerische Akademie 2019 in Würzburg

Posted by: ORD05.04.2019

Generalthema: Digitaler Humanismus in der Welt 4.0

Zu dieser Veranstaltung sind auch Brüder Meister eingeladen, die nicht dem Alten und Angenommenen Schottischen Ritus angehören.

Grußwort des Akademiepräsidenten

Verehrte Schwestern, liebe Brüder,
was ist die Welt? Was sind die letzten Grundlagen allen Seins? Das sind die großen Fragen der Metaphysik, auf welche die Philosophie seit ihrem Anbeginn Antworten sucht. Heute wird eine erstaunlich einfache gegeben: alles besteht aus Zahlen sowie den mathematischen Beziehungen zwischen ihnen, und der Kosmos ist ein riesiger Computer, der all dies verrechnet. Diese Idee ist alt und geht auf Pythagoras zurück, der sie aus der Beobachtung der Natur, besonders der quantifizierbaren Bewegung der Gestirne abgeleitet hat. In der modernen Physik existiert für jede Größe, neben ihrem numerischen Vielfachen, ein ja oder nein, ein an oder aus, eine 0 oder eine 1. Willkommen in der Welt der Digitalisierung 4.0, in der wir zur Zeit jede Beschreibung eines Zustands oder eines Vorgangs in einer digitalen Form vornehmen und verrechnen.

Dies eröffnet uns ungeahnte Möglichkeiten, weil wir mithilfe von Großrechnern ganz verschiedene Phänomene über ein mathematisches Prinzip beschreiben und über komplexe Algorithmen in Beziehung setzen können. Dies betrifft Natur- wie Geisteswissenschaften, d. h. alle unbelebten und belebten Systeme, die erstaunlicherweise große Parallelen in den Regeln ihrer hohen Komplexität aufweisen. Über die Anwendung unserer Kenntnisse zur Funktion neuronaler Netzwerke in unseren Gehirnen bei der Konstruktion von Computern können wir Systeme erschaffen, die über eine künstliche, unserer vergleichbare Intelligenz verfügen. Unsere Autos werden bald autonom fahren. Roboter, mit denen wir über Sprache kommunizieren, werden uns in allen Lebenssituationen unterstützen. Sensoren außer- oder innerhalb unseres Körpers zeichnen jetzt schon unsere Gesundheitsdaten auf und können Funktionen unseres Organismus steuern. Roboter werden uns besser, schneller und schonender operieren als jeder Chirurg. Künstliche Intelligenz kann unseren Politikern nach rechnerischer Analyse hochkomplexer gesellschaftlicher Situationen über genaue Prognosen Handlungen empfehlen. Umweltprognosen können so errechnet und Maßnahmen eingeleitet werden.

Eines der Probleme bei diesen optimistischen Einschätzungen ist aber, dass wir die Welt nicht mehr selbst, sondern über Computer betrachten und berechnen lassen und dadurch das Risiko eingehen, uns zu ersetzen und jedes Lebenssinns zu berauben.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass wir noch gar nicht verstanden haben, wie künstliche Intelligenz in neuronalen Netzwerken eigentlich funktioniert. Die Prämissen, welche künstliche Intelligenz ihren Entscheidungen zugrunde legt, können allerdings nur solche sein, die wir ihr in Form von Algorithmen einprogrammiert haben. Das moralische Gesetz in uns, das Kant postuliert, können wir keinem Computer verleihen.

Damit sind wir bei einem dritten Problem, der Kategorie des Digitalen. Digitalisieren lassen sich nur Größen, die messbar sind. Bewusstsein, subjektive Gefühle und moralische Urteile sind es nicht. Sie sind aber nach der Definition Aristoteles sehr wohl eigenständige Substanzen, die aus sich selbst existieren können. Ich kann Bewusstsein, Gefühle und moralische Urteile nicht von meinen Gehirnfunktionen ableiten, die zwar ihre messbaren Korrelate, aber keineswegs mit ihnen identisch und auch nicht notwendiger Weise ursächlich mit ihnen verbunden sind. Ich muss immer auf mein eigenes Denken rekurrieren, ehe ich überhaupt anfangen kann, rational, emotional oder moralisch zu reflektieren. Meine bewussten Wahrnehmungen und ihre Verarbeitung sind phänomenale Axiome, die ich für jeden Denkvorgang als gegeben voraussetzen muss, ehe ich mich mit meinem Inneren oder der Welt befassen kann. Sie lassen sich somit nicht als Akzidenzien nach Aristoteles betrachten, die ab einer bestimmten Systemkomplexität in Form einer sogenannten Emergenz auftreten würden. Es spräche sonst nichts dagegen, sie auch Großrechnern ab einer bestimmten Komplexität zuzuordnen, was naturalistisch eingestellte Software-Ingenieure durchaus tun. Wir kommen so leicht in eine religiös eingefärbte posthumanistische Silicon-Valley-Ideologie, die den Menschen auf seine materiellen Bausteine und die Gesetze zwischen ihnen reduziert.

Entlang dieser Betrachtungen gelangen wir mitten in das Themenfeld, das mit dieser Tagung adressiert werden soll, der sogenannte digitale Humanismus. Die Entwicklung der Digitalisierung schreitet mit exponentiell steigender Geschwindigkeit fort, die ethische Verarbeitung und Bewertung dieser Entwicklung folgt im Schneckentempo. Der digitale Humanismus befasst sich mit der Frage, wie der Mensch ein umfassend gebildetes und selbstbestimmt in ethischer Verantwortung handelndes Wesen bleiben kann, das sich die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze macht, ohne von ihr überrollt zu werden. Brennende Fragen sind die nach der Metaphysik des Digitalen und seiner Möglichkeiten, Realitäten abzubilden. Gibt es einen Unterschied zwischen virtueller und lebensweltlicher Realität? Können Computer denken wie wir, kann künstliche Intelligenz Zustände von Bewusstsein und Gefühlen entwickeln? Kann ihr eine moralische Urteilskraft zukommen und kann sie dann ethisch verantwortlich handeln? Wie können Mensch und künstliche Intelligenz kommunizieren? Was bedeuten Digitalisierung und künstliche Intelligenz für unser Bild von uns selbst? Sind wir determiniert wie Computer oder können wir frei handeln? Diese und verwandte Themen sollen im Rahmen der 115. Akademietagung adressiert und diskutiert werden.

Mit herzlichem Schottengruß

Nicolas Wernert, 33°

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