Freimaurerei und katholische Kirche
Doch die Zeiten haben sich geändert. In unserer zeitgenössischen Informationsgesellschaft gibt es kein Thema, über das nicht gesprochen werden kann. Insofern melden sich auch schon einmal Freimaurer zu Wort, wenn über Religion gesprochen wird. Manchmal wird es dann ideologisch und emotional. Je nach persönlicher Betroffenheit wird mehr oder minder polemisiert, je nach Zielgruppe und Intention dogmatisch polarisierend missioniert.
Vor drei Jahren bot Klaus Jürgen Grüns „Menschenähnlichkeit“ sehr viel Diskussionsstoff für alle, die sich für das Thema Freimaurerei und (christliche) Religion interessierten.
Dieser Tage hat der Münchner Theologe Richard Mathieu seine Arbeit „Freimaurerei und katholische Kirche“ vorgelegt. In ihr geht es weder um persönliche Befindlichkeiten noch um eine Bekehrung zum richtigen Weg. Dem Autor ist daran gelegen, das über 300 Jahre alte Spannungsfeld aus rein kirchenrechtlicher Sicht auszuleuchten.
Trotz fachwissenschaftlicher Sprache und einiger weniger Kapitel, in denen die historische Entwicklung des Kirchenrechts bis zum Codex Juris Canonici (CIC) 1983 in Bezug auf die Freimaurerei besonders detailliert und für Kirchenrechtler dargestellt wird, ist das Buch auch für den interessierten Laien lesbar und verständlich.
Im ersten Teil geht Mathieu ausführlich auf die ideengeschichtliche Entwicklung der Freimaurerei im Allgemeinen ein, um sich dann auf die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland zu beschränken. Im zweiten Teil stellt er dar, wie sich das Verhältnis der katholischen Kirche gegenüber den Freimaurern bis in die heutige Zeit entwickelt hat. Er beginnt bei der päpstlichen Bulle „in eminenti“ durch Clemens XII., geht auf die darauf folgenden päpstlichen Verlautbarungen ein und setzt sich dann ausführlich mit den Aussagen der CIC der Jahre 1917 und 1983 auseinander. Die Gespräche zwischen Vertretern der Freimaurerei (Vereinigte Großlogen von Deutschland) und der Kirche (Deutsche Bischofskonferenz) in den siebziger Jahren finden besondere Berücksichtigung, denn kirchliche Teilnehmer an den Gesprächen fanden später ihren Weg nach Rom.
Auch nach der Lektüre des Buches ist klar, dass das Verhältnis von Freimaurerei zur katholischen Kirche auch heute noch schwierig ist. Den Katholiken als Freimaurer ereilt zwar nicht mehr automatisch durch seine Mitgliedschaft in einer Loge die Tatstrafe der Exkommunikation, aber er muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er im Zustand der schweren Sünde lebt. Wie bei weltlichen Gerichten auch, scheint es auch bei Fragen des Kirchenrechts Unschärfen zu geben, die abhängig von den individuellen Umständen und dem Geschick des argumentierenden Anwalts so oder so ausgelegt werden können.
Insbesondere für den katholischen Bruder beziehungsweise Interessenten finden sich in der Arbeit wertvolle Gesichtspunkte, die seine Gewissensentscheidung erleichtern können. Der Nicht-Katholik gewinnt bereichernde Einblicke in eine Organisation und ihr spezifisches Rechtssystem. Mathieus kirchenrechtliche Einordnung des 300-jährigen Streites leistet einen versöhnlichen Beitrag für das gegenseitige Verstehen der beiden Organisationen. Sie baut Brücken statt Gräben zu graben, wenn man willens ist, sich unvoreingenommen auf die Argumentation beider Seiten einzulassen, es trägt dazu bei, den Austausch über eine nicht ganz einfache Frage sachlicher werden zu lassen.
Unwillkürlich erinnerte ich mich bei der Lektüre an den fiebernden Hans Castorp in Thomas Manns Zauberberg: »Du bist zwar ein Windbeutel und Drehorgelmann, aber du meinst es gut, meinst es besser und bist mir lieber als der scharfe kleine Jesuit […], obgleich er fast immer recht hat.«
Es ist offenbar doch möglich, seinen Frieden mit Freimaurerei und katholischer Kirche gleichermaßen zu machen.
Titel- und Autorenangabe
Richard Mathieu
Freimaurerei und katholische Kirche – Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-jährigen Streits
Salier Verlag; 1. Auflage 2015 (1. September 2015)
Einband: broschiert
Umfang: ca. 260 Seiten
ISBN-13: 978-3943539431